Synästhesie, Savant und der Rest

Synästhesie, Savant und der Rest

Wenn viele Menschen Autismus hören, dann denken Sie meist an den Film Rainman. Dort konnte der von Dustin Hoffman gespielte Raymond außergewöhnliche Dinge vollbringen. Er war sozusagen ein wahres Rechenwunder, konnte sofort die Anzahl von runter gefallenen Zahnstochern  ermitteln, wusste genau, welche Karten noch im Stapel sind und konnte komplizierte mathematische Berechnungen ohne weites durchführen.

Viele wissen aber nicht, dass er im Prinzip gleich mehrere Störungen hatte  und seine Hochbegabung nicht zwingend mit seinem Autismus zu tun hat. Meist kommen bei Autisten mehrere Störungen und Behinderungen zusammen. die dann ein Paket schnüren.

Neben dem Autismus habe ich noch eine Spastik. Das heißt ich habe eine erhöhte Spannung der Muskulatur. Zu gut deutsch. Meine Muskeln befinden sich in einem permanenten Zustand der Anspannung.  Außerdem kommt noch eine partielle Aniridie hinzu. Heißt also das Fehlen der Regenbogenhaut, bzw. eine Fehlentwicklung. Bei mir ist es eine Fehlentwicklung, die dazu führt, dass meine Pupillen immer weit geöffnet sind.

Allerdings habe ich zu Gegensatz zum Raymond keine Inselbegabung, welches auch als Savant Syndrom bezeichnet wird. Viel Menschen verbinden aber Autismus automatisch mit Savant. Nur etwa 50% der Savants sind auch Autisten. Es sind auch nur etwa 100 Menschen weltweit bekannt, die eine Inselbegabung besitzen.

Ich besitze jedoch eine Fähigkeit, die mich eigentlich auch freut, denn es macht mir das Leben im wahrsten Sinne des Wortes bunt. Ich kann mich als Synästhetiker bezeichnen. Das heißt, man verknüpft mehrere Sinnesreize miteinander. So zum Beispiel habe ich einen Autist kennen gelernt, der Töne mit Farben verknüpft. Man kann also sagen, dass er Farben hört. Auch ich kann Farbe hören. Jedoch sind es bei mir keine Töne sondern Wörter. Manchmal passen die Wörter auch zur tatsächlichen Farbe. So zum Beispiel ist ein Orange bei mir auch orange. Das Wort Gurke ist aber bei mir lila. Verben haben bei mir grundsätzlichen einen grün-braunen Ton. Wobei „laufen“ für mich ein schönes dunkles, sattes Grün-braun darstellt und „rennen“ ist in meinem Kopf eher ein ganz blasses Grün-braun.  So sehe ich bei jeder Unterhaltung verschiedene Farben und die machen mir das Leben bunt. Und ich versuche mich dann so auszudrücken, dass ich nur Farben sehe, die mir gefallen. Natürlich kann es eben auch da zu Problemen kommen.

Neben der Farbwahrnehmung bei Wörtern, habe ich bei dem Geräusch von Elektromotoren jeweils ein sehr unterschiedliches Gefühl. Das Reicht von Erregung, innerlicher Freude und Jubel bis zu tiefster Trauer und das ich am liebsten wegrennen möchte. So z.B. finde ich jedes Mal totale Begeisterung, wenn ich eine S-Bahn der Baureihe 485 anfahren höre. Wohin mich das Fahrgeräusch die Baureihe 481/482 jedes Mal deprimiert. Die Fahrt mit dem historischen Triebwagen 10 der Cöpenicker Straßenbahn macht mich glücklich, während ich bei dem Geräusch der U-Bahn Baureihe H in Berlin traurig bin.

Meine Wahrnehmung der Welt ist so viel anders. Je mehr ich mich versuche an die restliche Welt anzupassen, umso mehr verliere ich diese einzigartige Wahrnehmung. Das möchte ich aber nicht. Das mir das an mir gefällt. Allerdings will ich mich anpassen, damit ich soziale Beziehungen habe kann. Also stehe ich immer zwischen dem Wunsch so zu sein, wie ich bin und mich in die Welt einzugliedern.

Warum ist das Leben wie eine Achterbahn?

Ich weiß eigentlich nie genau, wie es mir im Moment geht. Ich kenne keine große Bandbreite an Gefühlen. Ich kannte eigentlich nur Glück und war immer fröhlich. ich hatte auch immer allem gegenüber eine positive Einstellung. Und dann, genau vor 2 Jahren und einem Monat, es war der 22 Oktober 2011, lernte ich Liebe kennen. Dieses Gefühl überwältigte mich. Ich wusste nicht so richtig damit um zu gehen. Natürlich war es für mich das schönste auf der Welt. Ich habe daran geklammert, geklammert ohne Ende. Und das hat letztendlich dazu geführt, dass ich sie verloren habe. Seitdem kann ich auch Trauer und leider auch eine negative Einstellung mein eigen nennen.

Ich schätze ich kann mich glücklich schätzen, dass ich es überhaupt geschafft habe eine Beziehung aufzubauen. Auch wenn es nur für eine kurze Zeit war. Die meisten Menschen würden 4 Wochen ja nicht mal als Beziehung Bezeichnen. Aber für einen Autisten ist jedes Erlebnis intensiv. So intensiv, dass die wenigsten es nachvollziehen können. Er kann so in seinem Handeln und Erleben auf gehen, dass er seine ganze Kraft daran setzt. Sogar mehr als er hat.

Wie ist das mit den Gefühlen? Wie lernt man diese? Wie kann man anderen sagen, wie man sich fühlt, wenn man eigentlich nur 3 Gefühle kennt? glücklich, traurig und verliebt. Alles dazwischen existiert bei mir nicht. Und ich denke dadurch beantwortet sich auch die Frage, warum das Leben wie eine Achterbahn ist.